Qualitäts­sicherung der Psycho­sozialen Notfall­versorgung

Symbolbild PSNV mit Zahnrädern

Entwicklung und Fortschreibung von Qualitätsstandards und Leitlinien der Psychosozialen Notfallversorgung ist eine gesetzliche Aufgabe des Referats Psychosoziales Krisenmanagement. Die Aufgabenübertragung erfolgte nach §16 und §18 Abs. 3 des Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetzes.

Psychosoziale Fragen der Unterstützung von direkt Betroffenen und deren Angehörigen nach Notfällen und komplexen Gefahren- und Schadenslagen sowie Prävention und Nachsorge nach psychosozialen Belastungen im Einsatzwesen fanden in den letzten Jahrzehnten im Bevölkerungsschutz zunehmend Beachtung. Sie gewinnen mit jedem weiteren schweren Unglücksfall und jeder weiteren Katastrophe an Aufmerksamkeit und Bedeutung.

Das Arbeitsfeld folgt den Erkenntnissen,

  • dass es eine zentrale Aufgabe der staatlichen Gefahrenabwehr ist, von Schadensereignissen betroffene Menschen bei der Belastungsverarbeitung und der Prävention von psychischen Folgeschäden qualifiziert psychosozial zu unterstützen,
  • dass Einsatzkräfte mit qualifizierter Vorbereitung auf die anspruchsvollen Anforderungen ihres Haupt- oder Ehrenamtes, mit optimalen Arbeitsbedingungen und qualifizierten Nachsorgeangeboten nach schwierigen Einsätzen besser vor psychosozialen Belastungsfolgen sowie psychischen Erkrankungen geschützt sind,
  • dass psychosoziale Belastungsfolgen und psychische Erkrankungen umso eher gemindert oder vermieden werden können, je früher Menschen nach einem belastenden oder potenziell traumatisierenden Erlebnis adäquate psychosoziale Unterstützung erhalten,
  • dass die psychosoziale Unterstützung von Schadensereignissen betroffener Menschen in den ersten Stunden und Tagen nahtlos überführt werden muss, in spezielle mittel- und längerfristige Unterstützungsstrukturen nach Notfallereignissen, Anschlägen und Katastrophen und dazu die strukturellen Voraussetzungen und Anbieter-Netzwerke im Bevölkerungsschutz bereitzustellen sind.

PSNV-Philosophie

Grundannahme der PSNV ist es, dass zur Bewältigung außergewöhnlich belastender Ereignisse zunächst immer personale und soziale Ressourcen der Betroffenen aktiviert werden. PSNV-Angebote wirken ergänzend oder ausgleichend, wenn diese Ressourcen (zeitweise) fehlen oder für die Bewältigung des Erlebten nicht ausreichend sind.

Die Philosophie der PSNV ist somit Prävention und ein salutogenetischer Ansatz, der sich nicht an Defiziten, sondern an Fähigkeiten und Ressourcen orientiert. Die PSNV wendet sich damit ausdrücklich gegen die Pathologisierung von Notfallbetroffenen und belasteten Einsatzkräften und gegen eine Pauschalisierung der Unterstützungsbedarfe.

Definition PSNV

(DIN 13050:2015-04)

Der Begriff „Psychosoziale Notfallversorgung (PSNV)“ beinhaltet die Gesamtstruktur und die Maßnahmen der Prävention sowie der kurz-, mittel- und langfristigen Versorgung im Kontext von belastenden Notfällen bzw. Einsatzsituationen. Übergreifende Ziele der PSNV sind

  • Prävention von psychosozialen Belastungsfolgen
  • Früherkennung von psychosozialen Belastungsfolgen nach belastenden Notfällen beziehungsweise Einsatzsituationen
  • Bereitstellung von adäquater Unterstützung und Hilfe für betroffene Personen und Gruppen zur Erfahrungsverarbeitung sowie die angemessene Behandlung von Traumafolgestörungen und – bezogen auf Einsatzkräfte – einsatzbezogene psychische Fehlbeanspruchungsfolgen.

Konsensus-Prozess 2007 bis 2010

Um in Kooperation mit Bundes- und Landesbehörden, Organisationen, Fachverbünden und der Wissenschaft die Qualitätssicherung der Versorgungsstruktur PSNV durch Ausbildung, Forschung und Vernetzung weiter voranzutreiben, wurde 2004 das heutige Referat Psychosoziales Krisenmanagement auf Bundesebene geschaffen.

Von 2007 bis 2010 fand unter dem Namen Konsensus-Prozess Psychosoziale Notfallversorgung (PSNV)  ein Qualitätssicherungsprozess statt. Dieser Prozess wurde von der Schutzkommission beim Bundesminister des Innern initiiert und vom Referat Psychosoziales Krisenmanagement des BBK moderiert. Beteiligt haben sich alle Behörden, Organisationen und Institutionen, die die PSNV in Deutschland verantworten, anbieten und durchführen. Ebenso involviert waren etwa die Hälfte der Innenministerien und Senate der Bundesländer sowie namhafte Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen.

Als Ergebnis des IT-gestützten Arbeits- und Abstimmungsprozesses mit 120 Delegierten aus 40 Behörden, Organisationen und Institutionen konnten auf drei Konferenzen 2008, 2009 und 2010 insgesamt  31 Qualitätsstandards und Leitlinien in sechs relevanten Themenfeldern einstimmig verabschiedet werden. Die bundeseinheitlichen Qualitätsstandards und Leitlinien sind Grundlage für eine evidenzbasierte PSNV-Praxis und eine engmaschig vernetzte Fach-Community PSNV.

Der Konsensus-Prozess, der als Orientierungshorizont einen hohen Stellenwert einnimmt, markiert über die formulierten Qualitätsstandards hinaus das Bündnis einer Fach-Community, die sich mit hohem Engagement für die psychosoziale Gesundheit von direkt Betroffenen und Einsatzkräften als Schutzziel und Auftrag in der Gefahrenabwehr einsetzt.

Länderübergreifende Facharbeitsgruppe Psychosoziale Notfallversorgung (LüFAG PSNV)

Infolge des Konsensus-Prozesses PSNV wurden in fast allen Bundesländern durch die Innenministerien und Senate für Inneres  Landeszentralstellen PSNV eingerichtet bzw. Landesbeauftragte PSNV berufen oder die Kooperation mit zivilgesellschaftliche Ansprechstellen der PSNV vereinbart. Zur Umsetzung und regionalen Weiterentwicklung der bundeseinheitlichen Qualitätsstandards und Leitlinien wurde eine Länderübergreifende Facharbeitsgruppe Psychosoziale Notfallversorgung (LüFAG PSNV) eingerichtet.

Das Gremium besteht aus den Ansprechpartnern aller PSNV-Landeszentralstellen, die die Behörden für Inneres in 14 Bundesländern für die PSNV-Belange im jeweiligen Land eingesetzt bzw. berufen haben und den beiden zivilgesellschaftlichen zentralen PSNV-Anspechpartnern auf Landesebene in den verbleibenden beiden Ländern sowie Mitarbeitenden des  des Referats Psychosoziales Krisenmanagement, welches organisatorisch und fachlich unterstützt. Die Länderübergreifende Facharbeitsgruppe tagt zweimal jährlich und hat sich 2016 auf eine Geschäftsordnung geeinigt.

Länderübergreifenden Facharbeitsgruppe Psychosoziale Notfallversorgung (PSNV)

Übersicht Landeszentralstellen/Landesbeauftragte PSNV Quelle: BBK

Aufgaben

Gemäß Geschäftsordnung sind die Aufgaben der Länderübergreifende Facharbeitsgruppe PSNV insbesondere:

  • Unterstützung der Vernetzung der vorhandenen Angebote und Leistungsträger,
  • Beratung bei der Erarbeitung einheitlicher Qualitäts- und Führungsstandards,
  • Förderung von Arbeitskreisen,
  • Unterstützung von Fachtagungen sowie der Aus-, Fort- und Weiterbildung der Einsatzkräfte,
  • Unterstützung wissenschaftlicher Tätigkeiten und Untersuchungen im Bereich der PSNV,
  • Vorschläge zum Transfer der Ergebnisse der Konsensus-Konferenz.

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